Auch Potsdam ist eine Reise wert

Parlamentarische Vereinigung Niedersachsen auf Reisen:

Der Brandenburger Landtag "standesgemäß" im wiederaufgebauten Stadtschloss / Havel - Spree - Schlösser - Parks - Es gab viel zu sehen und zu bestaunen / Die große Reise 2016 in das Land Brandenburg

Strahlend blauer Himmel über der Mark Brandenburg, fünf Tage Sonnenschein von morgens bis abends, sommerliche Temperaturen um 24 Grad, Boots- und Kahnfahrten auf Havel und Spree, Potsdam und Sanssouci, das Parlament im neuen Schloss - für die 35 Teilnehmer der diesjährigen großen Reise der Parlamentarischen Vereinigung Niedersachsen (PVN) war das einhellige Urteil: Es war eine Traumreise.

Wie immer war auch sie von Geschäftsführer Udo Mientus und Sabine Sonntag hervorragend geplant, akribisch vorbereitet und professionell organisiert worden. Und für den Vorstand der PVN mit dem Vorsitzenden Ulrich Biel an der Spitze sowie mit Christina Philipps und Dr. h.c. Wolfgang Schultze mit ihren Ehepartnern war es selbstverständlich und vorbildlich, die Delegation der Niedersachsen beim Besuch des Landes Brandenburg anzuführen.

Besser hätte der Ausflug gar nicht beginnen können. Es war Sonntagmorgen, der 25. September 2016, 9:15 Uhr auf dem Zentralen Omnibusbahnhof in Hannover. Nach der wie immer wieder freundlichen Begrüßung, Hallo hier, Küsschen da, fand jeder "seinen" angestammten Platz im Bus vom Reisedienst Rinder aus Barsinghausen, und los gings auf der "berüchtigten" Autobahn A 2 in Richtung Braunschweig - Magdeburg - Berlin, bei herrlichem Spätsommerwetter, flott und ohne Unterbrechung, denn Sonntags haben die Lastwagen Fahrverbot. Das erste Ziel, der Havel-Hafen in Potsdam, wurde sogar vorzeitig erreicht.

Havelrundfahrt als Entspannung pur                          

Das Ausflugsschiff der Weissen Flotte Potsdam legte pünktlich um 13 Uhr zur vierstündigen Havelseenrundfahrt ab. "Alle Mann an Deck!" hieß es bei strahlendem Sonnenschein, angenehmer Temperatur und leichter Brise. Von Potsdam ging es durch die schönste Flusslandschaft Deutschlands, teils in engen Flussläufen, teils in kilometerbreiten Seen, geduckt unter Brücken hindurch, begleitet oder gekreuzt von vielen Segelbooten oder Motoryachten. Durch den Templiner See nach Caputh und weiter bis zum südlichsten Zipfel der Havel nach Ferch ging die Reise, dann weiter nach Norden bis nach Werder, dem Wendepunkt, und auf anderer Route zurück. An vielen Anlegestellen stiegen Fahrgäste ein- oder aus. Vom Wasser aus gab es Ausblicke auf ständig wechselnde Uferlandschaften mit immer wieder neuen Sehenswürdigkeiten. Es war Entspannung pur, Kaffee und Kuchen, Bier, Eintopf und Wiener Würstchen inklusive.

Fröhlich und zufrieden, vor allem ausgeruht erreichte die niedersächsische Reisegesellschaft den heimischen Hafen in Potsdam und bezog Quartier im wenige Schritte entfernten Hotel "Mercure". Der 17 Stockwerke hohe Bau, als Inter-Hotel einst Prestigeobjekt aus alten DDR-Zeiten, das städtebaulich überhaupt nicht in die Landschaft passte, präsentierte sich zwar renoviert, war mit vier Sternen ausgezeichnet, aber ließ für verwöhnte "Westler" viele Wünsche offen. Die relativ kleinen Doppelzimmer, ohne Schrank und Schubladen, ohne Kofferabstellplatz, ohne Minibar, mit zwei Betten und zwei Stühlen, mit einer Toilette ohne Tür, wo man sich kaum umdrehen konnte, waren für viele Gäste gewöhnungsbedürftig. Immerhin gab es ein sehr reichhaltiges Frühstücksbuffet.

Himmlische Ruhe auf der Spreewald-Kahnfahrt

Am nächsten Tag gab es die Fortsetzung auf dem Wasser, gleichsam als Ergänzungsprogramm: Eine Spreewald-Kahnfahrt. Mit dem Bus ging es in Richtung Cottbus, südlich von Berlin bis nach Lübben, in das Land der Sorben, einer nationalen Minderheit in Deutschland. Im Hafen des Dörfchens Lübbenau, dem Herzstück des Oberspreewalds, bestieg die niedersächsische Reisegruppe die flachen Kähne, ausgestattet mit Bänken und gedeckten Tischen, mit Platz für jeweils 16 Personen. Der am Ende stehende Fährmann bewegte und steuerte das Schiffchen mit dem Staken durch die urigen Wiesen-, Acker- und Waldlandschaften auf der oft nur wenige Meter breiten, aber weit verzweigten Spree. Es ging die Hauptspree aufwärts vorbei an vielen privaten Wochenend- und Sommerhäusern, Campingplätzen, vielen Bootsverleihen, an Gaststätten, Wirtshäusern und Cafès wie dem Gasthaus "Fröhlicher Hecht" oder dem "Cafè Venedig". Hunderte von Paddelbooten begleiteten die niedersächsischen Besucher oder kamen ihnen auf diesen idyllischen Wasserwegen entgegen.

Und wieder schien die Sonne vom strahlend blauen Himmel. Allerdings bekamen die Kahnfahrer sie wenig zu sehen, weil es meistens durch Wälder mit riesigen, oft uralten Bäumen mit weit auslandenden Kronen ging. Das Außergewöhnliche und völlig Unerwartete war jedoch die absolute Stille, die "himmlische Ruhe". Kein Laut war zu hören, nicht einmal ein leisestes Rauschen der auf dem Wasser dahingleitenden Kähne. Eine Reise zum Entspannen und zum Träumen.

Nach der Rundfahrt durch das Dörfchen Lehde, das nur wenige feste Wege hat, und wo heute noch, wie auch in vielen Spreewaldgemeinden, der gesamte Verkehr nur mit den "gestakten" Kähnen auf dem Wasser stattfindet, legte das Boot am Gasthaus "Quappenschänke" zum typischen Spreewälder Mittagessen im "Hirschwinkel" an. Gestärkt ging es durch die geradezu unheimliche Stille zurück, vorbei an mehreren Schleusen, die im Handbetrieb selbst bedient werden mussten.

Nach dieser vierstündigen Kahnfahrt, die die meisten Fahrgäste vermutlich nur aus Fernsehreportagen kennen, konnten sie die niedersächsischen Besucher nun auch einmal "live" erleben. Es war wirklich ein einmaliges Erlebnis.

Und weil sie nun einmal mitten im Spreewald waren, im Paradies für Kürbisse, die man zu Hunderten in allen Größen bis zum meterbreiten Umfang auf fast allen Höfen liegen sah, und mitten im Anbau der weltbekannten Spreewaldgurken, bildete die Besichtigung einer Gurkeneinlegerei den Abschluss des erlebnisreichen Tages.

Potsdam - Landtag im wiederaufgebauten Stadtschloss

Den Höhepunkt der diesjährigen großen Reise der Parlamentarischen Vereinigung Niedersachsen in das Land Brandenburg bildete am Dienstag, 27. September, der Besuch des Landtags Brandenburg im wiederaufgebauten ehemaligen Potsdamer Stadtschloss. Vom Hotel "Mercure" zum Parlament mitten in der Stadt am Alten Markt war es ein kurzer Spaziergang von fünf Minuten. Am Eingang, der durch das ebenfalls wieder aufgebaute repräsentative Fortunaportal gegenüber der Nikolaikirche mit der goldenen Kuppel als weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt erfolgt, empfing der Chef des Protokolls, Hubert Erbe, vom Präsidialbüro des Landtags, die niedersächsische Besuchergruppe. Er erklärte ihr kompetent und eloquent die historische Entwicklung des langen Wegs vom Stadtschloss der preußischen Kurfürsten und Könige bis zum Parlament des Volkes. Friedrich II., bekannt als Frie-drich der Große oder als der Alte Fritz, hatte Mitte des 18. Jahrhunderts den Architekten und Baumeister Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff beauftragt, das Potsdamer Schloss um- und auszubauen, so dass es der Preußen-König neben seiner Sommerresidenz Sanssouci als Winterquartier benutzen konnte. Als letzter Herrscher war der deutsche Kaiser Wilhelm II. nach der Oktoberrevolution 1918 aus dem Schloss in das Exil nach Dohrn in Holland vertrieben worden.

Während der Weimarer Republik saß der Magistrat der Stadt Potsdam im Schloss, und die Stadtver-ordnetenversammlung tagte im Schlosssaal. Das grausame Ende kam am 14. April 1945. Drei Wochen vor dem Ende des 2. Weltkriegs und zwei Wochen vor der Besetzung Potsdams durch die Rote Armee flogen britische Bomber noch einmal einen verheerenden Luftangriff auf die Innenstadt. Dabei wurde auch das Stadtschloss in Schutt und Asche gelegt. Durch Spreng- und Brandbomben brannte es aus und wurde bis auf Teile der Außenmauer völlig zerstört. Nach dem Krieg besiegelten die DDR-Stadt-verordnetenversammlung und das Politbüro der SED das endgültige Schicksal der Ruine. Unter der Devise "Fort mit dieser Brutstätte des Feudalismus" wurden 1959/60 zunächst mit einer symbolträchtigen Sprengung das Fortunaportal und dann auch die übrigen Reste des Schlosses beseitigt. Ein tiefes Loch und eine Brache markierten die einstige Herrlichkeit des Preußentums. Um auch jegliche Erinnerung an das Stadtschloss auszulöschen, wurde das gesamte Areal zu einer Straßenkreuzung ausgebaut, und auf dem dahinter liegenden Gelände des ehemaligen Lustgartens direkt an der Havel wurde ein 17-geschossiges Hochhaus als DDR-Renommierobjekt und Inter-Hotel errichtet. Heute heißt es Hotel "Mercure" und passt überhaupt nicht in das Stadtbild.

Der Wiederaufbau des Stadtschlosses

Nach der Wende 1989 lebten die Pläne zum Wiederaufbau des Potsdamer Schlosses wieder auf. Eine Initialzündung für die Realisierung stellte ausgerechnet das "Potsdamer Projekt" der Sommerakademie für junge Architekten des Londoner Architekturinstituts von Prinz Charles dar. 1999 wurde auf Initiative des Fernsehmoderators und Potsdamer Bürgers Günther Jauch ein Förderverein für den Wiederaufbau des Fortunaportals gegründet, von dem nach der Sprengung nur das Fundament erhalten war. Jauch spendete dazu 3,5 Millionen Euro und warb weitere Spenden ein. 2002 erstrahlte das Portal mit der goldenen Fortuna im alten Glanz. In der "Berliner Zeitung" war dann zu lesen: "Fernsehmoderator Günther Jauch will weitermachen, bis das alte Potsdamer Stadtschloss wieder an seinem historischen Ort steht."

Am 20. Mai 2005 fasste der unangemessen auf dem Brauhausberg am Havelufer untergebrachte Landtag den Beschluss, ein neues Parlamentsgebäude in den Um- und Aufrissen des historischen Potsdamer Stadtschlosses zu errichten. Eine Bürgerbefragung stimmte mit deutlicher Mehrheit zu. Nun kämpften die Schlossbefürworter für die Wiederherstellung der Originalfassade und warben öffentlich um Spendengelder. Mit Erfolg: Die Hasso-Plattner-Förderstiftung spendete 20 Millionen Euro. Der Landtag beschloss, den Bau  in Form einer Öffentlich-Privaten-Partnerschaft (ÖPP) zu errichten. Das niederländische Bieterkonsortium um die Royal BAM Group mit dem Architekten Professor Peter Kulka erhielt den Zuschlag. Im März 2010 erfolgte der erste Spatenstich, im Februar 2011 die Grundsteinlegung, im November 2011 das Richtfest und nach dreieinhalbjähriger Bauzeit am 10. Oktober 2013 die Schlüsselübergabe an den Parlamentspräsidenten.

Der Eingang in den Landtag erfolgt durch das Fortunaportal in den großen Innenhof, der als öffentlich begehbares Bürgerforum dient. Der Eingangsbereich des Gebäudes, das sogenannte Knobelsdorff-Treppenhaus, wurde in der historischen Form modern nachgebaut; er soll "das Spannungsfeld zwischen der historischen Fassade und dem modernen, minimalistischen Inneren des Gebäudes auflösen". Im Erdgeschoss des Hauptgebäudes befindet sich im Südteil das Landtagsfoyer mit dem Ausstellungsbereich, Cafeteria, Garderobe sowie den Räumen für die Besuchergruppen und Pressekonferenzen der Landespressekonferenz, die nun ebenfalls ihren Sitz im Landtagsgebäude hat. Im 1. Obergeschoss sind das Herzstück des Landtags, der Plenarsaal, sowie der Präsidialbereich mit dem Büro der Landtagspräsidentin, im 2. Obergeschoss eine Gäste und zwei Pressetribünen, sowie ein Büro des Ministerpräsidenten und die Räumlichkeiten für Funk und Fernsehen des rbb eingerichtet. Das 4. Obergeschoss beherbergt das Landtagsrestaurant mit 160 Plätzen und einer großen Dachterrasse sowie die Bibliothek. In den Seitenflügeln sind die Landtagsverwaltung und die Räume der Fraktionen und Abgeordneten untergebracht. Die Baukosten belaufen sich auf rund 120 Millionen Euro, etwa 26 Millionen Euro sind durch Spenden gedeckt.

Zwischen Historie und Moderne

Bei der Besichtigung des Parlaments beeindruckte vor allem das außerordentlich gelungene Zusammenspiel zwischen dem historisch nachempfundenen wiedererrichteten Schlossbau und dem modernen, weitläufigen Inneren für das Parlament und seine Arbeit. Sowohl die Einteilung auf mehrere Geschossebenen als vor allem auch der gelungene Plenarsaal, das Herzstück des Landtags, in den Brandenburger Landesfarben Rot und Weiß konnten gefallen. Er bietet Platz für 88 Abgeordnete und verfügt über zwei Tribünen für 160 Besucher und die Presse. Durch eine Lichtkuppel in dem historischen mittleren Belvedere fällt durch ein transparentes Luftkissen gleichmäßiges Tageslicht in den Plenarsaal; dabei dient das Kissen auch der Raumakustik. Dass die Rahmen für die Baukosten mit rund 120 Millionen Euro, durch Spenden unter 100 Millionen Euro gedrückt, aber auch für die Bauzeit mit gerade einmal dreieinhalb Jahren eingehalten wurden, grenzt fast an ein Wunder, wenn man beispielsweise an die "Berliner Verhältnisse" mit dem neuen Flugplatz, in Hamburg an die Elbphilharmonie oder in Stuttgart an den neuen Bahnhof denkt. In diesem Zusammenhang dürfte auch ein Vergleich mit dem derzeit im Bau befindlichen neuen Plenarsaal des Niedersächsischen Landtags interessant sein.

Vizepräsident stellt das Parlament vor

Nach der Besichtigung empfing der Vizepräsident des Brandenburger Landtags, Dieter Dombrowski (CDU), anstelle der Präsidentin Britta Stark (SPD) die niedersächsischen Parlamentarier und ihre Begleitung. Er stellte zunächst das Landesparlament vor: Nach der letzten Wahl zur 6. Wahlperiode am 14. September 2014 erhielten bei nur 47,9 Prozent Wahlbeteiligung, obwohl das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt worden war, die SPD 30 Mandate, die CDU 21, die Linke 17, die Grünen 6 und die erstmals in den Landtag eingezogene AfD 10; dazu kommen drei der Freien Wähler. Die FDP verpasste den Einzug. Dazu noch ein Kuriosum: Ganz vorn in der ersten Reihe neben der AfD-Fraktion sitzt ein fraktionsloser Abgeordneter - der wegen eines Spiegel-Interviews aus der AfD ausgeschlossene Stiefsohn des Fraktionsvorsitzenden Dr. Alexander Gauland, Stefan Hein. Wie Vizepräsident Dom-browski sagte, provoziert Gauland mit seinen Redebeiträgen ständig das Parlament. Im Übrigen – obwohl er einen reservierten Landtagstiefgaragenparkplatz hat – parkt er seinen "Jaguar" grundsätzlich im Halteverbot vor dem Landtag und dafür hat er im Jahr schon über 50 Strafmandate kassiert. Überhaupt sei die AfD eine Herausforderung für das Parlament, obwohl sie inzwischen dazugelernt habe und besonders der Vorsitzende Gauland, "nebenbei" Herausgeber der Märkischen Allgemeinen Zeitung", genau wisse, wie man sich auf dem politischen Parkett zu bewegen habe. Dennoch sei es für das Landtagspräsidium schwierig, mit den AfD-Provokationen umzugehen. Seine Strategie sei, nicht selbst die AfD durch zu große Vorhaltungen zu provozieren, sondern sie durch ihre Plattheiten zu enttarnen. "Das ist immer eine Gratwanderung", sagte der Vizepräsident.

Im Übrigen sei der Landtag sehr stolz, nach vielen Jahren des Provisoriums nun endlich im wieder-aufgebauten Stadtschloss eine neue Heimat zu haben. Zu bedauern sei jedoch, dass das Parlament, der gewählte Vertreter des Souveräns, der Bürger, nicht selbst souverän im neuen Haus sei, sondern 30 Jahre lang den Bauherrn erst fragen müsse, wenn einmal ein Nagel in die Wand eingeschlagen werden soll.

Weißer oder roter Wappenadler?

Dombrowski ließ auch den "Schildbürgerstreich" nicht unerwähnt, den es bei einem langen Streit um den preußischen Wappenadler, das Landeswappen der Brandenburger, gegeben hat. Mit der Einweihung des Landtagsneubaus im Januar 2014 prägte zunächst ein vom Architekten Prof. Peter Kulka gestalteter großer weißer Adler an der Wand oberhalb des Sitzungspräsidiums den Plenarsaal. Das passte vielen Abgeordneten überhaupt nicht. Die künstlerische Darstellung des Adlers in weißer Farbe führte zu einer lebhaften öffentlichen Debatte. Der Brandenburger Adler ist rot, mit gelben Klauen. Schon im allseits bekannten Volkslied heißt es: Steige hoch, du roter Adler..... Viele betrachteten den weißen Vogel als Zumutung. Lange wurde gekämpft und gerungen, bis ein Kompromiss zustande kam. Im Mai 2014 entschieden die Abgeordneten des Landtags mehrheitlich, anstelle des großen weißen Adlers einen stilisierten roten Adler (viel zu klein und "mickerig", wie viele meinten) am Rednerpult im Plenarsaal anbringen zu lassen. Der weiße Adler wurde neben den Ausgang im Treppenhaus verbannt.

Noch ein Kuriosum soll erwähnt werden. Der Brandenburger Landtag hat in dieser Legislaturperiode erstmals eine Frau als Parlamentspräsidentin. Weil das Amt nach der Verfassung "Der Landtags-präsident" heißt, wird die Präsidentin als "sehr geehrte Herr Präsidentin" angeredet. Sonst aber habe der besonders von Grünen und Linken ideologisch geprägte "Genderismus" im Brandenburger Landtag noch keinen Einzug gehalten, sagte der Vizepräsident. So gilt, getreu dem Altvater Duden, der Plural für beide Geschlechter, so dass die Abgeordnetinnen nicht besonders herausgestellt werden müssen, sondern bei den Abgeordneten gut aufgehoben sind. Auch um die Frauenquote gibt es keinen Streit. Das Parlament hofft, dass ihm der "Gender Mainstream" erspart bleibt.

Ehemalige Stasi-Mitarbeiter und Stasi-Häftlinge

Mit welchen typischen DDR-Hinterlassenschaften nach der Wende noch lange Zeit in ostdeutschen Landtagen zu kämpfen war, wurde an der Person des Vizepräsidenten Dieter Dombrowski deutlich. Der 1951 in Ost-Berlin geborene Abgeordnete wuchs in der DDR auf und leistete seinen Grund-wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) von 1970 bis 1972 ab. 1974 wurde er vom Bezirksgericht Schwerin zu vier Jahren Gefängnis wegen Republikflucht und staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme verurteilt. Mit ihm saßen noch vier seiner Brüder im Knast. Danach gelangte er nach West-Berlin, trat in die CDU ein und war von 1983 bis 1990 Referent beim Deutschen Bundestag für die Landesgruppe der Berliner CDU-Abgeordneten. Nach der Wende wurde Dieter Dombrowski Landrat des Kreises Rathenow, seit 1999 ist er Landtagsabgeordneter in Potsdam. Als in der SPD-Fraktion ausgerechnet sieben ehemalige Stasi-Mitarbeiter den Ton angaben, protestierte der ehemalige Stasi-Häftling Dombrowski vor dem Landtag in seiner DDR-Häftlingskleidung.

Parlamentarische Vereinigung auch für Brandenburg empfohlen

Nach einer interessanten Debatte mit den niedersächsischen Parlamentariern dankte ihr Vorsitzender Ulrich Biel dem Gastgeber und stellte ihm die Parlamentarische Vereinigung Niedersachsen (PVN) vor, zumal es eine solche Einrichtung in Potsdam noch nicht gibt. Biel wies besonders darauf hin, dass gerade in Niedersachsen sowohl aktive als auch ehemalige Landtagsabgeordnete Mitglieder in der PVN sind und dass dadurch ein ständiger, enger Meinungsaustausch möglich ist und gepflegt wird. So könne Niedersachsen Vorbild für Brandenburg sein. Ein original hannoverscher Pelikan-Füllfeder-halter als Gastgeschenk soll den Vizepräsidenten nicht nur an den Besuch der niedersächsischen Kollegen erinnern, sondern auch zur Unterschrift für die Einladung zur Gründung einer Parlamentarischen Vereinigung in Potsdam dienen.

Ein eigens für die Besucher aus Niedersachsen arrangiertes Mittagsbuffet beendete den eindrucksvollen Besuch im Landtag Brandenburg. Er kann nicht nur als gelungene Kombination zwischen Historie und Moderne, sondern auch wegen seiner Offenheit als Haus des Volkes, zu dem die Bürger jederzeit Zutritt haben, als Vorbild gelten.

Durch Potsdam und Umgebung

Nach drei Tagen in der Mark Brandenburg lernten die niedersächsischen Besucher nun auch die eigentliche 170.000-Einwohner-Stadt Potsdam kennen, Jahrhunderte lang das Zentrum preußischer Hohenzollern-Dynastien und preußische Garnisonstadt. Gästeführerin Andrea Sperling, sehr kompetent und ebenso charmant, führte die Gäste zuerst zu Fuß durch das alte Zentrum der Stadt und dann im Bus durch die außerordentlich interessante Umgebung mit vielen Schlössern, Parks und Sehens-würdigkeiten. Das wiederaufgebaute Stadtschloss als jetzigen Landtag hatten die Niedersachsen schon kennen gelernt. Gegenüber am Alten Markt prangt die vom Baumeister Friedrich Wilhelm Schinkel im 19. Jahrhundert errichtete imposante Nikolai-Kirche mit dem weit über die Dächer der Stadt emporragenden grün leuchtenden Dach der Tambour-Kuppel in 77 Meter Höhe. Die sowjetische Rote Armee hatte wenige Tage vor Kriegsende 1945 bei der Eroberung Potsdams die Kirche in Trümmer und zur Ruine geschossen. Noch zu DDR-Zeiten war die Kirche wieder aufgebaut worden. Im beeindruckenden Inneren erinnert sie an den berühmten Petersdom in Rom. Das Alte Rathaus, rechts daneben, das früher auch schon mal ein Kittchen war, ist heute das Potsdamer Museum. Zur anderen Seite über den Neuen Markt gelangten die Besucher zum historischen Stadtkern, abgeschlossen an der Westseite vom Brandenburger Tor, dahinter die Friedenskirche, sowie dem Jägertor und dem Nauener Tor im Norden. Das östlich anschließende Holländische Viertel, im 18. Jahrhundert erbaut, liebevoll auch "Klein Amsterdam" genannt, bietet viele kleine Cafès, Kneipen, Boutiquen und Kunstgeschäfte.

Die Stadt selbst ist, wie die Gästeführerin erklärte, geprägt von der Havel mit ihren vielen Flussarmen und -Seen, wie Heiligersee, Jungfernsee, Tiefer See, Griebnitzer See, Templiner See. Der Fluss ist 334 Kilometer lang und das am langsamsten fließende Gewässer Deutschlands. Einst hat auch Professor Einstein hier gelebt. Heute besuchen rund 25.000 Studenten die Universität und Hochschulen. Vor allem ist Potsdam ein äußerst beliebter Wohnort für viele Prominente. Trotz außerordentlich teurer Immobilien und Grundstücke wollen jährlich etwa 4000 Menschen in die Stadt ziehen - "das sind Münchner Verhältnisse, und in jedem Jahr werden hier um die 2.000 Kinder geboren", sagte die Gä-steführerin. Aber sie meinte auch: "Potsdam ist verschlafen. Wer etwas erleben will, fährt nach Berlin."

Historische Schlösser und Parks prägen die Stadt

Die Fortsetzung der Stadtbesichtigung mit ihrem berühmten historischen Schlössern und Palästen, Parks und Gärten folgte im Bus. Auf der Berliner Straße ging es in den Nordwesten in Richtung Berlin über die ominöse Glienicker Brücke, eine der wenigen früheren Verbindungen über die Havel zwischen der Ostzone bzw. späteren DDR und West-Berlin. Bis zur Wende war für die Potsdamer hier die Welt zu Ende. Im Volksmund hieß die Glienicker Brücke "Spionen-Austausch-Brücke", weil über sie in der DDR-Zeit der "offizielle Menschenhandel" abgewickelt wurde, von hüben nach drüben und umgekehrt.

Hinter der Glienicker Brücke liegt im Norden das Schlösschen Glienicke mit dem ehemaligen riesigen englischen Landschaftsgarten, im 19. Jahrhundert gestaltet vom berühmten englischen Gartenbaumeister Peter Joseph Lennè, heute Volkspark Glienicke und UNESCO-Welterbe. Auf der südlichen Seite der Havel ist das wunderbare Schloss Babelsberg mit dem Park Babelsberg zu sehen. Aber die niedersächsischen Besucher wollten ja nicht nach Berlin, sondern Potsdam stand auf dem Programm. Also zurück über die Glienicker Brücke und weiter durch die Berliner Vorstadt und Nauener Vorstadt nach Norden zum Schloss Cecilienhof. In diesem Palast, den Kaiser Wilhelm II. für den Kronprinzen und seine Frau Cecilie 1912 erbauen ließ und den das Paar bis 1945 bewohnte, bis es von den So-wjets vertrieben wurde, wurde 1945 Geschichte geschrieben. Vom 17. Juli bis 2. August fand hier die sogenannte Potsdamer Konferenz der Siegermächte des 2. Weltkriegs, offiziell Drei-Mächte-Konfe-renz von Berlin, statt. Hier besiegelten der Präsident Harry S. Truman für die USA, der Diktator Joseph Stalin für die Sowjetunion und Premierminister Winston Curchill für England, der noch während der Konferenz bei den britischen Unterhauswahlen abgewählt und durch Clement Attlee ersetzt wurde, das Schicksal Deutschlands und die Aufteilung Europas. Gleichzeitig legten die misstrauischen Sieger hier schon den Keim für den baldigen Kalten Krieg. Die Wahl für die Siegerkonferenz fiel deshalb auf den Cecilienhof, weil er im sowjetischen Eroberungsgebiet lag und vor allem weil es eines der wenigen unzerstörten Schlösser war und weil es in Potsdam genügend unzerstörte Villen für die Delegationen gab. Leider war dieses jüngste Hohenzollernschloss jetzt beim Besuch der Niedersachsen eingerüstet und wegen Umbauten geschlossen, so dass nur ein Gesamtblick auf die historische Anlage blieb.

Weiter ging es im Bus durch die nach dem Krieg jahrzehntelang "verbotene Stadt" mit der sowjetischen Geheimdienstzentrale des KGB und späteren Staatssicherheit (Stasi) der DDR samt den vielen ehemaligen Gefängnissen und Folterkellern. Man kann es nicht glauben, welches Leid und welche Dramen sich hier in der Nachkriegszeit abgespielt haben, wenn man heute die schmucken Häuser, Villen und Gärten sieht. Durch die "russische Kolonie Alexandrowka" kamen die berühmte Alte Mühle und Sanssouci in den Blick. Das vom Preußenkönig Friedrich II., dem Alten Fritz, Mitte des 18. Jahrhunderts nach den Plänen des Hofbaumeisters Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff im östlichen Teil des riesigen, aus vielen Einzelgärten bestehenden Parks Sanssouci im Stil des Rokoko errichtete Sommerschloss gehört zu den bekanntesten Hohenzollernschlössern Potsdams. Es hat die britischen Bombenangriffe und den sowjetischen Angriff auf Potsdam unmittelbar vor Ende des letzten Weltkriegs wie durch ein Wunder einigermaßen heil und unbeschädigt überstanden. Die historische Mühle, ein weiteres Wahrzeichen, ist allerdings bei den Kampfhandlungen mit der Roten Armee abgebrannt und später wiederaufgebaut worden. Die Sowjets besetzten Park und Schloss und brachten die meisten nach Rheinhausen ausgelagerten und die noch in Sanssouci verbliebenen Kunstgegenstände als Beutegut in die Sowjetunion. Heute werden die Schlösser und Gartenarchitekturen der weitläufigen Parkanlagen, in denen es u.a. 75 Kilometer Wege und rund 25.000 Bäume jeglicher Art gibt, von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg verwaltet und stehen seit 1990 als Welterbe unter dem Schutz der UNESCO. Die Deutsche UNESCO-Kommission begründete die Aufnahme in die Welterbeliste damit, dass "Schloss und Park von Sanssouci, oft als preußisches Versailles bezeichnet, eine Synthese der Kunstrichtungen des 18. Jahrhunderts in den Städten und Höfen Europas sind. Das Ensemble ist ein herausragendes Beispiel von Architekturschöpfungen und Landschaftsgestaltungen vor dem geistigen Hintergrund der monarchistischen Staatsidee."  Ein Gruppenfoto auf der großen Freitreppe vor dem Schloss wird die niedersächsische Reisegesellschaft an den Besuch Sanssoucis (französisch sans souci - "ohne Sorge") erinnern, der immer wieder ein Erlebnis ist, auch wenn man schon mehrmals dort war.

Die Pfaueninsel ohne Pfauen

Der letzte Tag der Reisegruppe der Parlamentarischen Vereinigung Niedersachsen in Potsdam war dem Besuch der Pfaueninsel und nachmittags der Fahrt zur Filmstadt Babelsberg gewidmet. Die Pfaueninsel, mitten in einem Flussarm der Havel im Süd-Westen Berlins gelegen, ist heute noch wie vor 200 Jahren ein beliebtes Ausflugsziel. Doch während im 18. und 19. Jahrhundert vornehmlich preußische Kurfürsten und Könige die Insel gern als Erholungs- und Vergnügungsstätte, manchmal auch als Liebesnest, nutzten, wandeln die heutigen Besucher gern auf den Spuren der Geschichte und erfreuen sich besonders an der erhaltenen Natur der Bäume, Pflanzen und Tiere in einem der schönsten, vom berühmten Gartenbaumeister Lennè entworfenen und bis heute erhaltenen Land-schaftsparks. Das Konzept Lennès sah für weite Teile der Insel den Erhalt des alten Baumbestands vor, so dass neben einem durchdachten Wegenetz vor allem bis heute erhaltene Sichtachsen den wesentlichen Eingriff des Gartenarchitekten in die Natur der Insel darstellen. Ein großer Teil der Insel ist Wald. Zu den bemerkenswerten Bäumen gehören die teilweise mehrere hundert Jahre alten Eichen. Vor allem die vollständig abgestorbenen Bäume, die bis zum Vermodern unberührt bleiben, bieten ideale Lebensräume für Vögel und Insekten, Moose, Flechten und Pilze.

 

Ein Lustschloss als Liebesnest

Die Insel selbst ist nur über eine Fähre zu erreichen. Enttäuscht waren die niedersächsischen Besucher, als sie bei Ihrer Ankunft auf der Pfaueninsel nicht von traditionell freilaufenden Pfauen begrüßt wurden, sondern nur von zwei krächzenden Exemplaren oben in einem Baumwipfel. Viele hatten sich schon auf prächtige Pfauenfedern gefreut. Später konnte man einige Vögel in den Volieren bewundern. Etwa zwei Stunden dauerte der Rundgang bei sehr angenehmem Wetter auf der 1,7 Kilometer langen und ein Kilometer breiten 67 Hektar großen Insel. Vom südlich gelegenen Fähranleger aus führte der Weg vorbei an der ehemaligen Kastellanswohnung zu einem Garten, der sich zum Schloss Pfaueninsel öffnete. Dazu konnte die Fremdenführerin eine ebenso amüsante wie romantisch-erotische Geschichte erzählen. Friedrich Wilhelm II., der Neffe und Nachfolger Friedrichs des Großen, hatte hier ein ländliches Lustschloss als künstliche Burgruine errichten lassen, in der er schon als Kronprinz zusammen mit der 13-jährigen Wilhelmine Encke, Tochter eines Hoftrompeters und Gastwirts, zu romantisch-erotischen Aufenthalten auf die verwilderte Insel kam. Mit 15 Jahren kam Wilhelmines erstes Kind, vier weitere folgten. Das Verhältnis überdauerte mehrere andere Liebschaften und Ehen des Kronprinzen und späteren Königs bis zu seinem Tod. Für die Entwicklung der Pfaueninsel hatte die Mätresse, die seit 1796 Wilhelmine Gräfin von Lichtenau hieß, große Verdienste, wie überhaupt die Pfaueninsel mit wichtigen Ereignissen und Personen der brandenburgisch-preußischen Geschichte eng verbunden ist.

Der Rundgang hatte es in sich

Nach dieser amüsanten Erzählung ging der Rundgang der niedersächsischen Besucher weiter zum Palmenhaus, dem einstigen Stolz der Insel, mit einer umfangreichen Sammlung tropischer Palmen; der nur aus Holz und Glas bestehende Bau fiel 1880 einem Brand zum Opfer, die schöne Sammlung war vernichtet. Heute erinnern vier alte Steinsäulen im indischen Stil an die einstige Pracht. Die  Parschenkesselbucht mit einem breiten Schilfgürtel ist ein Paradies für wilde Wasservögel. Nach dem Runden Garten im Biedermeierstil kommt der Rosengarten, für den der Hofmarschall 1821 die private Rosensammlung eines Herrn Dr. Böhm aus Berlin für 5000 Taler aufkaufte und mit Kähnen auf die Pfaueninsel brachte. Der Hofgärtner und Kastellan Gustav-Adolph Fintelmann kümmerte sich persönlich um das Wohl und Gedeihen der 2000 Rosenstöcke. Dennoch gingen sie im Lauf der Jahrzehnte ein. 1870 wurden die Rosen neu angepflanzt und zuletzt 1985 erneuert. Zwischen den beiden Gärten ist auch noch der letzte und einzige Ginkgobaum, ein weibliches Exemplar der zweihäusigen Baum-art, zu bewundern. Diese Art stammt aus der Jura- und Kreidezeit und ist in der freien Natur nicht mehr anzutreffen, nur noch in den Tempelgärten Chinas und Japans. Auf dem Rückweg des Rundgangs kommt man zur Meierei, die eine künstliche gotische Ruine einer mittelalterlichen Abtei darstellt und als Wohn- und Stallgebäude diente. Von dort ist eine direkte Sichtachse zum Luisen-Tempel in Form eines griechischen Tempels frei gehalten. Er ist zur Erinnerung an Königin Luise gebaut, die die Pfaueninsel zuweilen als Sommeraufenthalt nutzte, aber die Insel nicht besonders mochte. Sie sprach von der "engen Pfauen-Behausung, wo kein Schloss und kein Riegel vor Einbruch bewahrt, wo bekanntlich die Mauern von Papier sind....". Heute grasen zwischen Meierei und Luisen-Tempel schwarze zottige Wasserbüffel in einem Feuchtgebiet. Dann ging es etwas ansteigend an den Volieren mit Pfauen und anderen Wildvögeln vorbei zurück zum Fähranleger, wo Fähre und Bus nach einem "Spaziergang" warteten, der es in sich hatte.

Filmpark Babelsberg

Den zweiten Teil des Tages bildete ein Besuch im Filmpark Babelsberg. Er ist ein großer Freizeitpark als Teil der modernen Medienstadt  in Potsdam-Babelsberg mit einer abwechslungsreichen Mischung aus Unterhaltung, Action und authentischer Film- und Fernsehwelt. Im Mittelpunkt des Besuchs der niedersächsischen Reisegruppe stand eine spektakuläre Stuntshow in einer einem Vulkankrater nach-empfundenen Veranstaltungsarena mit rund 2.500 Plätzen. Man musste schon rechtzeitig vor Ort sein, zumal ausgerechnet an diesem Tag Dutzende von Schulklassen anreisten und die Tribüne schnell bis auf den letzten Platz füllten. Während die niedersächsischen Besucher brav auf ihren Plätzen saßen, stürmten die Kinder und Jugendlichen zuerst einmal die Cola- und Popcornstände. Denn ohne eine große Tüte Popcorn geht bei der heutigen Jugend offenbar gar nichts. Was die Stunt-Männer und -Frauen dann zeigten, war ihm wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend. Untermalt mit viel Pyrotechnik und noch größerer Geräuschkulisse, mit Knalleffekten und Donnerschlägen rasten die Artisten in Autos und auf Motorrädern in halsbrecherischer Fahrt mit wahnsinniger Geschwindigkeit durch die engen Kurven oder über Rampen und andere Fahrzeuge, sprangen aus 15 Metern Höhe im freien Flug in Fallnetze, beharkten und bedrohten sich oder stürmten lichterloh brennend davon. Auch diese Stuntshow war ein Erlebnis, das die meisten (erwachsenen) Besucher nicht alle Tage haben müssen.

Viel ruhiger ging es bei einem Gang durch Europas größtes Requisitenhaus zu, wo über eine Million Gegenstände und Schätze und Dekorationen aus dem Film-Fundus einen Blick auf einzigartige Utensilien gewähren, von Möbeln und Geschirr über Kleidung, Schirme und Taschen bis zu ganzen Einrichtungen aus den verschiedensten Zeitepochen, so dass man sich schnell in frühere Kinder- und Jugendzeiten zurückversetzt fühlen kann. Im Vorbeigehen konnte man danach einen Blick auf einen Original-Straßenzug und die Dreharbeiten für eine Szene zu GZSZ (Gute Zeiten, Schlechte Zeiten, RTL), eine der täglichen Fernsehserien in deutschen Wohnstuben, erheischen.

Zur Stärkung und Erholung gab es im Erlebnisrestaurant "Prinz Eisenherz", das aus den Original-Requisiten des gleichnamigen Kinofilms in mittelalterlicher Atmosphäre entstanden ist, ein deftiges Mittagessen. Zwischendurch erfuhren die niedersächsischen Besucher von der Fremdenführerin, dass auf dem seit nunmehr hundert Jahren bestehenden Babelsberger Studiogelände der Ufa und späteren DDR-DEFA nach der Wende im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ein Film- und TV-Erlebnispark in Anlehnung an Themenparks wie Universal Studios Hollywood geschaffen wurde, der 1993 seine Tore öffnete. Im Lauf der vergangenen 20 Jahre wurde er ständig erweitert, durch die Stuntshow-Arena, den Kinderpark, Live-Konzerte, Open-Air-Kino, die Straße der Westernfilme und die Kulissen einer mittelalterlichen Stadt, die Gärten des kleinen Muck und die Abenteuer des Sandmännchens, den Dschungelspielplatz und Janoschs Traumland sowie vieles andere mehr. Die Besucher hatten den Eindruck, dass man mindestens eine Woche braucht, um alle Attraktionen, Film- und Fernsehstudios und die hundertjährige Babelsberger Geschichte des deutschen Films kennen zu lernen.

Abschiedsabend im Krongut Bornstedt

Den Abschluss des Tages und der Zeit in Potsdam bildete am Abend das gemeinsame Abschiedsessen im renommierten Krongut Bornstedt. Allerdings versprach der Name mehr als die Lokalität hergab. Wenn an einer einzigen langen Tafel über 30 Personen neben einander und sich gegenüber sitzen und dazu die Akustik alles erschlägt, können keine vernünftigen Gespräche und keine Stimmung aufkommen, so dass der Abschiedsabend sehr bald nach dem Essen mit dem Aufbruch zum Bus endete, der wegen eines Durchfahrtsverbotes für Busse nicht vor dem Lokal halten durfte, sondern in der Dunkelheit in unbekanntem Terrain erst gesucht werden musste und doch noch zur Heimfahrt gefunden wurde.

Letzte Etappe Brandenburg

Am Donnerstag, 29. September, hieß es: Ade, Potsdam! Die Reisegesellschaft der Parlamentarischen Vereinigung Niedersachsen verließ die Metropole Potsdam im Südwesten der Bundeshauptstadt Berlin in "Richtung Heimat". Es ging auf der Jahrhunderte alten ehemaligen tausend Kilometer langen Reichsstraße 1 von Königsberg in Ostpreußen über Berlin nach Köln im Rheinland, heute Bundesstraße 1, durch die Mark Brandenburg, die Friedrich der Große einst als "des Heiligen römischen Reiches Sandstreubüchse" bezeichnet hatte. Letzter Halt der Reise war nach ca. 55 Kilometern am Westrand des Landes Brandenburg die Stadt Brandenburg, mit 71.500 Einwohnern, davon über die Hälfte Rentner, die drittgrößte und selbständige Stadt des Landes. Zum letzten Mal wartete eine Stadtführerin, um den Gästen "ihre" Stadt von ihrer schönsten und interessantesten Seite zu zeigen. Die Innenstadt, oder besser: zwei Innenstädte, die Neustadt und die Altstadt, Brandenburgs sind getrennt durch die Havel, aber verbunden durch die Jahrtausendbrücke, die bis 1928 Lange Brücke hieß. Der Rundgang begann in der Neustadt am Fritze-Bollmann-Brunnen, der zur Erinnerung an eines der bekanntesten Berliner Originale erinnert, die vor hundert Jahren mit ihren anzüglichen Chansons und grausamen Moritaten die Menschheit im Berliner Dialekt erfreuten. Die erste Station war die St.-Katharinen-Kirche, eine evangelische Pfarrkirche und herausragendes Beispiel der Backsteingotik aus dem 15. Jahrhundert. Kenner halten sie für eine der prächtigsten der Hanse-Gotik-Architektur, vor allem wegen ihrer äußeren Gestaltung, während im Innenraum "die beeindruckende Weite dieser dreischiffigen Hallenkirche gestalt- und steingewordenes Gotteslob verdeutlicht", wie die Stadtführerin meinte. Beindruckend war auch die Deckenmalerei mit einer Fülle von Bildern in dem bis zu 17 Meter hohen Gewölbe, wie eine Himmelswiese mit Blüten, Pflanzen, Menschen und Tieren, oder ein Mädchen, das einem dudelsackblasenden Esel zuhört, oder ein Mann mit Dreschflegel und ein Gaukler mit Narrenkappe. Zu erwähnen sind noch die Nikolaikirche als einzige romanische Basilika in der Stadt und die Kapelle St. Jakob, im Volksmund auch "verrückte Kapelle" genannt, weil sie im Zuge einer Straßenerweiterung im Jahr 1892 um elf Meter nach Westen verschoben wurde. Die Führung ging weiter über die Jahrtausendbrücke, mit Blick auf eine der letzten Werften an der Havel in Brandenburg, in die Altstadt, wo sich auf dem Altstädtischen Markt tausend Jahre Geschichte zusammenballen. Das geht vom Altstädtischen Rathaus, einem herausragenden Beispiel der Backsteingotik des 15. Jahrhunderts, und dem mannshohen Roland zur Erinnerung an die gute alte Hansezeit bis in die Neuzeit mit der Holzbank und der lebensgroßen Figur des imaginären Abgeordneten Herrn Müller-Lüdenscheidt, den der Brandenburger Bürger Vicco von Bülow, alias Loriot, mit typischer Stupsnase modelliert und porträtiert hat.

Auffallend beim Rundgang durch die Innenstadt von Brandenburg waren noch Graffitischmierereien vor allem dort, wo bei den durchweg schmucken, neuen Fassaden der renovierten Häuser ein Haus dem Verfall preisgegeben war, möglicherweise weil die früheren Eigentümer nicht zu ermitteln waren oder Erbstreitigkeiten keine Klarheit schafften. Außerdem zeichnete sich Brandenburg dadurch aus, dass nahezu alle Straßen mit katzenkopfgroßen Basaltsteinen gepflastert sind, die zwar Generationen aushalten, aber den Geräuschpegel des Autoverkehrs sehr in die Höhe treiben und für ermüdende Fußgänger zur Qual werden. So fanden sich denn die niedersächsischen Besucher zum Abschluss noch einmal, wiederum bei Bilderbuchwetter, draußen unter Sonnenschirmen in Cafès bei Eis und Pizza zum Abschied und zur Bilanz einer wiederum sehr interessanten, gelungen und mit vielen neuen Eindrücken gespickten Reise  zusammen.

Mit dem Bus ging es dann durch das Havelland des "Herrn Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein Birnbaum in seinem Garten stand", wie wir in der Schule vor vielen, vielen Jahren einmal gelernt haben, schnurstracks Richtung Heimat und - oh Wunder! - selbst auf der Autobahn A 2 über Magdeburg - Braunschweig ohne Stau und Aufenthalt sogar vorzeitig zum Ziel in Hannover. Busfahrer Dieter Schielke, der unterwegs ein guter Reiseführer war und selbst in schwierigsten Situationen immer die Ruhe und sein hervorragendes fahrerisches Können bewies, sei Dank. Mit fröhlichem "Auf Wiedersehen!" hofften die Reiseteilnehmer jetzt schon auf die nächste große Reise.