Von Lübeck über Hamburg nach Kiel und Lüneburg

Rolf Zick für PVN - Reisebericht Schleswig-Holstein und Hamburg

Die Parlamentarische Vereinigung Niedersachsen auf großer Nord-Reise

Zu Besuch in zwei Metropolen und zwei Landesparlamenten - Ein Reisebericht von Rolf Zick

"Wenn Engel reisen....." Dieses schöne alte Wort traf wieder einmal auf eine große Reise der Parlamentarischen Vereinigung Niedersachsen (PVN) zu. Vom 23. bis 27. September 2018 waren Schleswig-Holstein und Hamburg das Ziel der 42 Parlamentarier und ihrer Begleitung. Nicht ein einziges Mal musste der Regenschirm aufgespannt werden, während es daheim in Niedersachsen vielerorts regnete, nieselte oder pladderte. Wieder hatte der Altweibersommer - wenn es nicht despektierlich wäre, könnte man sagen "nomen est omen" - die niedersächsische Reisegesellschaft in sein Herz geschlossen.

 

 

Die "alte parlamentarische Reise-Familie", die sich im Lauf der Jahre gebildet und prächtig entwickelt hat, deren Teilnehmer sich nach vielen schönen Fahrten so gut kennen, schätzen und mögen, über alle Partei-, Fraktions- und Altersgrenzen hinweg, hatte nach dem herzlichen Begrüßungshallo in Hannover im Bus die Stammplätze eingenommen, und los gings am Sonntagmorgen in aller Herrgottsfrühe mit dem Barsinghausener Reiseunternehmen Rinder in Richtung Norden. Die sonst so gefürchteten, ärgerlichen und endlosen Autobahnbaustellen sowie die ständigen Staus um Hamburg herum konnten problemlos überwunden werden. Nach der Mittagspause in Büsum an der Nordsee ging es schnurstracks quer durch Schleswig-Holstein Richtung Osten. Pünktlich am frühen Abend konnte das Stammquartier Malente-Gremsmühlen in der Holsteinischen Schweiz zwischen Lübeck und Kiel erreicht werden.

Das Vier-Sterne-Hotel Wyndham Garden Bad Malente am Dieksee, ein verwinkelter, gewöhnungsbedürftiger "Fuchsbau", fanden die meisten Teilnehmer angemessen und zufriedenstellend, zumal sie jeden Morgen ihren eigenen großen Frühstücks- und auch den Begrüßungs- und Abschiedsraum für sich hatten. Allerdings war in dem wenig belegten Hotel bei unvorhergesehenem und nicht vorher angekündigten abendlichen Beisammensein für die trink- und essfreudigen geselligen Niedersachsen noch "viel Luft nach oben", wie man heutzutage sagt.   

Erste Station Freie und Hansestadt Lübeck

Wie immer hatte der PVN-Vorstand unter seinem Vorsitzenden Ulrich Biel und der bewährten Reiseleitung von Geschäftsführer Udo Mientus und Sabine Sonntag ein ebenso interessantes wie vollgestopftes Programm ausgearbeitet. Es begann am Montagmorgen mit der Fahrt nach Lübeck. Vor dem berühmtesten Wahrzeichen der Stadt, dem Holstentor, hielt der Stadtführer Walter Scharmer erst einmal einen langen Vortrag darüber, dass das Tor nicht aus Backsteinen gebaut ist, sondern aus gebrannten Ziegeln, so dass die allgemein gebräuchliche Bezeichnung "Backstein-Gotik" für die im gesamten Ostseeraum überwiegend anzutreffenden Kirchen, Rathäuser und Gebäude wohl nicht zutreffend sei. Außerdem sei der Westturm des von 1470 bis 1478 gebauten Tores mit seinen dreieinhalb Meter dicken Mauern gegen die Angriffe der Dänen schiefer als der weltberühmte schiefe Turm von Pisa. Aber durch den genialen Einfall, eine tonnenschwere Zementplatte neben dem Turm in der Erde zu versenken, sei er im Gleichgewicht gehalten.

Durch das Holstentor ging es in die auf einem 16 Meter "hohen" Hügel gelegene Altstadt mitten in der Trave, durch kleine malerische Gassen und teilweise so schmale Gänge, dass gerade noch ein Sarg hindurchgetragen werden kann. Das einzigartige Altstadt-Ensemble Lübecks mit rund 1.800 denkmalgeschützten historischen Gebäuden wurde 1987 von der UNESCO für die erste deutsche Stadt zum Weltkulturerbe ausgerufen.  Unverwechselbar ist auch die Silhouette Lübecks mit den sieben Türmen der Kirchen, unter denen der Dom und die aus dem 13. bis 14. Jahrhundert stammende, im letzten Weltkrieg zerstörte und dann mit "gebrannten Ziegeln" wieder aufgebaute Marienkirche mit ihrem 40 Meter hohen Hauptschiff und zwei 125 Meter hohen Türmen herausragt. Der Stadtführer erklärte weiter, dass Lübeck 1942 auf Anordnung des damaligen britischen Premierministers Churchill einem Vergeltungsangriff durch britische Bombenflugzeuge zum Opfer gefallen und in einer über hundert Meter breiten Schneise stark beschädigt worden sei, weil bei einem deutschen Luftangriff auf die britische Stadt Coventry die deutschen Flieger die plötzlich im Nebel liegende Stadt verfehlten und ihre Bomben, die sie nicht wieder mit nach Haus  nehmen wollten, am Rande abwarfen und über 500 Menschen töteten. Lübeck wird heute von den einen als "Königin der Hanse" und von den anderen als "charmante Provinzstadt" bezeichnet.

Besuch im Willy-Brandt-Haus

Der politische Höhepunkt der Nord-Reise der Parlamentarischen Vereinigung Niedersachsen war sicher der Besuch des Willy-Brandt-Hauses in der Lübecker Königstraße 21. Es ist gleichzeitig ein Museum und eine Gedenkstätte. Damit errichtete die Stadt Lübeck ihrem hier 1913 in einem Arbeiterviertel als Herbert Frahm unehelich geborenen Sohn und späteren deutschen Bundeskanzler und Friedensnobelpreisträger ein würdiges Denkmal - neben ihren beiden anderen berühmten Söhnen und Nobelpreisträgern Thomas Mann und Günter Grass. Letzterer hatte den seinerzeitigen Bundeskanzler Gerhard Schröder für die Idee gewinnen können, gemeinsam mit der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung in Berlin und der Hansestadt Lübeck in einem aufwendig renovierten Patrizierhaus die Gedenkstätte für Willy Brandt einzurichten. Sie wurde am 18. Dezember 2007, seinem 94. Geburtstag, mit der Dauerausstellung "Willy Brandt - ein politisches Leben im 20. Jahrhundert" eröffnet.

In sieben großen Räumen auf zwei Etagen können die Besucher das bewegte Leben des bedeutenden deutschen SPD-Politikers mit spannenden Inszenierungen und Multimedia-Ele-menten nacherleben, von der Geburt 1913 bis zum Tod 1992. Die niedersächsische Besuchergruppe hatte den Vorzug, von kundigen Museumsmitarbeitern persönlich informiert zu werden. Es begann mit Willy Brandts Kindheit und Jugend, die von politischen Krisen und sozialen Konflikten der Weimarer Republik begleitet waren. Im damaligen Reform-Real-Gymnasium Johanneum hatte er 1932 das Abitur bestanden, nachdem er schon in der Schulzeit politisch aktiv gewesen war und gegen den aufkommenden Nationalsozialismus gestritten hatte. Taschengeld verdiente er als freier Mitarbeiter des Chefredakteurs des "Lübecker Volksboten", Julius Leber. Wie der Museumsführer anschaulich schilderte, wurde Willy Brandt nach Hitlers Machtergreifung 1933, gegen die der junge Widerstandskämpfer im Untergrund illegal mit allen Mitteln kämpfte und in große Gefahr geriet, verhaftet und eingesperrt zu werden, von guten Freunden nachts heimlich im Kutter über Dänemark nach Norwegen gebracht. Die in Deutschland relativ wenig bekannten Exiljahre in Norwegen und Schweden von 1933 bis 1947, wo Herbert Frahm sich zu Willy Brandt verwandelte, seinen Kampf für ein anderes Deutschland politisch sowohl offen als auch im Untergrund führte, konnten die Besucher im großen Foyer des Museums anschaulich erleben. Dabei erfuhren sie auch, dass Willy Brandt 1936 als norwegischer Student drei  Monate in Berlin weilte, nicht nur bei den Olympischen Spielen, sondern vor allem auch, um Kontakte zur SPD im Untergrund aufzunehmen, und dass er 1938 von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in Kiel gesucht und ihm die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt wurde.

Zum Kriegsende hatte sich Willy Brandt im von Deutschen besetzten Norwegen als norwegischer Soldat ausgegeben, war aus der Kriegsgefangenschaft in schwedisches Exil geflohen, wo er mit dem späteren österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky Freundschaft schloss. Im nächsten Raum kann man sehen, wie Brandt nach dem Krieg 1945 in das von den Alliierten besetzte Deutschland zurückkehrte, als norwegischer Zeitungskorrespondent die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse beobachtete, nach seiner Wiedereinbürgerung als deutscher "Reichsbürger" am 1. Juli 1948 Zeuge und Aktivist des demokratischen Neuanfangs wurde.

Interessant sind dann in den nächsten Ausstellungsräumen Willy Brandts "Berliner Jahre" als Regierender Bürgermeister von West-Berlin im geteilten Deutschland besonders mit dem Berlin-Ultimatum, dem Mauerbau und dem Kennedy-Besuch, dazu in Bild und Ton die gegensätzliche Berichterstattung im West- und Ost-Fernsehen, ferner als Schwerpunkte der Ausstellung die Regierungszeit als deutscher Bundesaußenminister und vor allem als Bundeskanzler, besonders mit der "neuen Ostpolitik" und der deutschen Wiedervereinigung sowie Brandts Engagement für Frieden, Demokratie und Menschenrechte - bis zum bitteren Ende seines Rücktritts wegen des von der DDR eingeschleusten Superagenten Günter Giullaume. Für die Politiker der niedersächsischen Reisegesellschaft war es ein Erlebnis, das schicksalhafte Leben des großen SPD-Politikers und Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt und damit gleichzeitig ein Abbild des 20. Jahrhunderts in so anschaulicher Weise noch einmal vorgeführt zu bekommen.

Lübeck ohne Lübecker Marzipan "geht" eigentlich gar nicht. Deshalb hatte die Reiseleitung der PVN zum Abschluss des ersten Tages der Nord-Reise ein Treffen im Café Niederegger mit Besichtigung und Führung durch den Marzipan-Salon des weltbekannten Unternehmens sowie ein Kaffee-Gedeck mit typischer Marzipanprobe organisiert.

Hamburg: Rathaus und Elbphilharmonie

Am Dienstag war die Freie und Hansestadt Hamburg das Ziel der diesjährigen großen Reise der PVN. Hier erlebten die Reiseteilnehmer gleich zwei besondere Höhepunkte: Den ersten parlamentarischen Höhepunkt mit dem Besuch des Hamburger Rathauses und den kulturellen Höhepunkt mit dem Besuch der Elbphilharmonie. Pünktlich um zehn Uhr standen die Niedersachsen in der großen Eingangshalle des Hamburger Rathauses. Es gibt in Deutschland wohl kaum ein Parlament, das in einem so stilvollen, prächtigen, historischen Neorenais-sancegebäude residiert. Es ist der Sitz der Bürgerschaft (Parlament) und des Senats (Landesregierung). Der Stadtstaat Hamburg ist eines der 16 deutschen Bundesländer, es hat allerdings einen Senat als Regierung und einem Präsidenten als 1. Bürgermeister an der Spitze, der nach der Verfassungsänderung seit 1996 direkt von der Hamburgischen Bürgerschaft gewählt wird. Er beruft die Senatoren, die als Präses jeweils eine der Senatsbehörden leiten und mit den Ministern der übrigen Bundesländer vergleichbar sind. Zur Zeit bilden SPD und Grüne eine Koalition und stellen die Regierung. Die Stadt Hamburg ist kommunalpolitisch  zugleich aber auch eine Einheitsgemeinde.

Ein Rathaus mit Historie und hanseatischem Prunk

Die niedersächsische Reisegesellschaft wurde vom 1. Vizepräsidenten der Hamburgischen Bürgerschaft, Dietrich Wersich (CDU), im Rathaus empfangen. In einem Überblick über die derzeit aktuellen Themen wies er zunächst auf die politische Aufarbeitung der Folgen des internationalen Großereignisses G-20-Gipfel vor einem Jahr in Hamburg mit den unbeschreiblichen Ausschreitungen und Gewaltexzessen linker Krawallmacher und Gewalttäter hin. Ein Sonderausschuss sei damit noch befasst. Ferner gehe es in der Bürgerschaft aktuell um die Beratung eines Doppelhaushalts. Das sei vor allem problematisch, weil aus dem "Feierabend-Parlament" inzwischen ein Teilzeit-Parlament geworden sei, dessen Sitzungen generell ab 17 Uhr beginnen und in dem noch viele der 121 Abgeordneten voll berufstätig sind. Wersich beklagte die geringe Vergütung - "zumal die Mitarbeiter bei uns mehr kriegen als die Abgeordneten". Wie gespalten die Hamburger sind, zeige sich an problematischen Volksentscheiden. So wurde die Olympia-Bewerbung mit 51 zu 49 Prozent abgelehnt und die Energiewende mit 51 zu 49 Prozent befürwortet. Besonders beklagte der Hamburger Politiker, dass mit dem Einzug der AfD in die Bürgerschaft die Stimmung im Parlament sehr verändert und extrem aufgeheizt, der Ton schärfer geworden sei und gegenseitige Aufstachelung zunehme.

Bei einer Besichtigung das Hamburger Rathauses, das im letzten Krieg glücklicherweise nicht zerstört worden ist, und das in Parlaments- und Senatshälften geteilt ist, fiel den niedersächsischen Besuchern auf, dass es das schmucke Haus ohne Zweifel mit vielen Museen dieser Welt aufnehmen kann. Man sieht auffallend viele Gemälde und Porträts, darunter viele Ölgemälde ehemaliger Hamburger Bürgermeister mit der typischen weißen Halskrause, ferner viel Decken- und überlebensgroße Wandmalerei, viel Holzvertäfelung und Holzschnitzereien, Stuck und Vergoldungen sowie wertvolle Tapeten. Und überall stehen Büsten, die meisten aus reinem Marmor, von berühmten, mit Hamburg verbundenen Männern wie Kaiser Wilhelm, Bismarck, Moltke und vielen Hamburger Persönlichkeiten. Auffallend sind die überlebensgroßen Bronzefiguren, die Weisheit, Wissen, Stärke und Fleiß darstellen - die idealen Eigenschaften, die der Senat haben sollte. Interessant ist auch das Senatstreppenhaus in dem der Bürgermeister ganz oben steht und die Gäste empfängt, die zu ihm auf den roten Teppichstufen heraufkommen. Nur ein einziges Mal ist diese eherne hanseatische Tradition durchbrochen worden: Als die britische Königin Elisabeth II zu Besuch kam und der Bürgermeister die Treppe hinunter ihr entgegenging.

Als Vertreter der Vereinigung ehemaliger Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft nahm der Schatzmeister Fridtjof F.O. Kelber an der Zusammenkunft im Rathaus teil. Er berichtete, dass die Hamburger Vereinigung ein völlig freier Zusammenschluss von etwa 120 ehemaligen Parlamentariern ist, die sich im Vierteljahr einmal zu einer Veranstaltung treffen und einmal im Jahr eine Auslandsreise unternehmen. In diesem Jahr war Danzig das Ziel. Im nächsten Jahr stehen Ostpreußen und Königsberg auf dem Programm. Der PVN-Vorsitzende Ulrich Biel dankte im Namen der Reiseteilnehmer und berichtete über die Parlamentarische Vereinigung Niedersachsen, wobei für die Hamburger die Tatsache besonders interessant ist, dass nicht nur ehemalige, sondern auch aktive Parlamentarier Mitglieder sind.

 

Vorstand der Parlamentarischen Vereinigung mit Ersten Vizepräsident der Bürgerschaft Hamburg Wersich
Foto v. l.n.r.: Christina Philipps, Dietrich Wersich, Ulrich Biel, Udo Mientus, Georgia Langhans, Dr. h.c. Wolfgang Schultze u. Klaus Rickert

 

Als bevorzugte Gäste in der Elbphilharmonie

Am Nachmittag war dann die Besichtigung der Elbphilharmonie - kurz und liebevoll von den Hamburgern "Elphie" genannt - ohne Zweifel der kulturelle Höhepunkt der diesjährigen Nord-Reise der PVN, zumal es gelungen war, als hochangesehene VIP-Gäste im wahrsten Sinne des Wortes "hinter die Kulissen" zu schauen und sogar im großen Konzertsaal einer Orchesterprobe mit dem Star-Dirigenten Christoph von Dohnányi zu lauschen. Es war fürwahr eine äußerst seltene Ausnahme, die sogar auf dem offiziellen Terminplan unter "Probe - Probenbesuch: Parlamentariergruppe des Landtags Niedersachsen" vermerkt war.

Die Hamburger Elbphilharmonie, das 110 Meter hohe Gebäude mitten im alten Hafen in der Speicherstadt im Stadtteil HafenCity am rechten Ufer der Norderelbe, das als Konzerthaus im November 2016 nach zehnjähriger Bauzeit fertig geworden ist, ist das neue Wahrzeichen der Hansestadt als "Kulturdenkmal für alle" und ein Anziehungsmagnet für Millionen Besucher. Die Elbphilharmonie hat allerdings eine ebenso abenteuerliche wie teure Vorgeschichte. Das Konzept geht auf Vorstellungen aus dem Jahr 2001 zurück. Der Bau für ursprünglich 77 Millionen Euro wurde 2007 von der Bürgerschaft unter Bürgermeister Ole von Beust beschlossen. Auf den riesigen früheren Kaispeicher A von 1963 als Sockel wurde ein moderner Aufbau mit einer Glasfassade gesetzt, der "an Segel, Wasserwellen, Eisberg oder einen Quarzkristall" erinnern soll. Doch die Fertigstellung wurde immer wieder unterbrochen, die Pläne wurden mehrmals geändert, der Bau war eineinhalb Jahre stillgelegt. Erst nach einer umfangreichen Projektneuordnung zwischen Architekten, dem Bauherrn und der Baufirma nach der Wahl des Bürgermeisters Olaf Scholz konnte der Bau mit sechsjähriger Verzögerung fertiggestellt werden. Die Baukosten stiegen auf sagenhafte 866 Millionen Euro.

Um noch einige Zahlen zu nennen: Das Gebäude ist 110 Meter hoch, hat 26 Etagen, 29 Aufzüge, elf Treppenhäuser und eine 84 Meter lange Rolltreppe plus kurzer gerader Rolltreppe als kostenfreien Hauptzugang zur Plaza, einem Freiluft-Rundgang in der Ebene zwischen Sockel und Glasaufbau rund um das gesamte Gebäude mit herrlichem Ausblick auf den Hafen und auf die Stadt. Das Gesamtgewicht der Elbphilharmonie beträgt 200.000 t, so viel wie 722  A-380-Flugzeuge; allein der große Konzertsaal, der wegen des vollständigen Schallschutzes im riesigen Glaskörper "schwebt", wiegt 12.500 t, die Glasfläche beträgt 16.000 Quadratmeter. Im ersten Jahr nach der Eröffnung besuchten rund 850.000 Menschen die über 600 Konzerte in der Elbphilharmonie, über 4,5 Millionen Besucher pilgerten auf die Plaza, mehr als 70.000 Menschen nahmen an Konzerthausführungen und über 60.000 am Musikvermitt-lungsprogramm des Hauses teil.

Hinter den Kulissen von "Elphie"

Als bevorzugte Gäste wurde die niedersächsische Reisegesellschaft der PVN gleich zum Hintereingang geschleust und mit dem Lastenfahrstuhl in die 12. Etage gefahren, wo sie von Nicole Gerstenfeldt, Marketingleiterin des NDR Bereich Orchester und Chor, in der Kantine empfangen, betreut und "hinter die Kulissen" geführt wurde. Der Norddeutsche Rundfunk mit seinem Elbphilharmonie-Orchester mit 114 Musikern sei der optimale Partner der Elbphilharmonie, sagte die NDR-Vertreterin. Es sei ein Geschenk für die Kultur dieses Hauses, dass NDR-Kultur und erfreulicherweise auch das Rundfunkprogramm N-YOY mit ihren Übertragungen auch junge Menschen mit sinfonischer Musik begeistern und neues junges Publikum für klassische Musik gewinnen könnten. Bei einem Rundgang durch die Etage, die den Musikern des Orchesters mit ihren Instrumenten vorbehalten ist, lernten die Besucher auch die, oft spartanisch eingerichteten, Räumlichkeiten kennen, ebenso den "Greenroom" zwischen Backstage und öffentlichem Raum zur Kontaktaufnahme.

Und dann ging es nach vorheriger eindringlicher Ermahnung zu äußerster Ruhe und Disziplin ins "Allerheiligste", in den großen Konzertsaal, mitten in eine Konzertprobe. Kein geringerer als Star-Dirigent Christoph von Dohnányi hatte sich die "Streicher" vorgenommen, die Geiger mit ihren Violinen, Cellos, Bratschen, Bässen, um Anton Bruckners Sinfonie Nr.8 in mühseliger Kleinarbeit zu proben, mit ständigen Unterbrechungen und immer wieder belehrenden Einzelgesprächen mit den Musikern. Dabei saßen die niedersächsischen Zuhörer mucksmäuschenstill im ersten Rang nur wenige Meter von ihnen entfernt. Es war schon ein überwältigender Anblick in diesem phantastischen riesigen Konzertsaal mit seinen 2.100 Sitzplätzen auf drei Rängen, die nach dem Prinzip einer "Weinberg-Architektur" terrassenförmig angeordnet sind und auf den Architekten Hans Scharoun zurückgehen. Dazu liegt die Bühne leicht versetzt mitten im Saal, und darum herum gruppieren sich die weinbergartig nach oben ansteigenden Ränge. Kein Sitzplatz ist weiter als 30 Meter vom Dirigentenpult entfernt. Allerdings sieht die Hälfte der Besucher das Orchester während der Aufführung nur von hinten. Vor allem die Akustik des international renommierten Japaners Yasuhisa Toyota, der weltweit über 50 Konzerthäuser und Konzerthallen ausgestattet hat, ist ein wahres Wunder- und Meisterwerk; u.a. steuern rund eine Million faustgroße Elemente den Schall, und von außen dringt auch nicht das lauteste Geräusch in den Saal hinein.

Zum Abschluss des Besuchs der Elbphilharmonie ließen es sich viele der niedersächsischen Reiseteilnehmer nicht nehmen, auf der endlos langen Rolltreppe von außen hinaufzufahren zur Plaza, um bei einem 360-Grad-Rundgang in schwindelnder Höhe den Ausblick auf Stadt und Hafen noch einmal zu genießen.

Dass die Niedersachsen zwischen den beiden Ereignissen Rathaus und Elbphilharmonie auch die Mittagspause bei strahlendem Sonnenschein unter den Alster-Arkaden ausgiebig genießen konnten, machte diesen Tag zu einem sehr gelungenen Ereignis und Erlebnis.

 

Kiel: Der Landtag im Landeshaus an der Förde

Der dritte "Arbeitstag" am Mittwoch war der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel gewidmet. Hier stand der zweite parlamentarische Höhepunkt der Nord-Reise, der Landtag von Schleswig-Holstein, im Mittelpunkt. Das Parlament residiert seit den Anfängen des Landes in der Nachkriegszeit, genau seit dem 3. Mai 1950, im Landeshaus in Kiel, der ehemaligen Marineakademie der Kaiserlichen Marine. Im April 2003 erfolgte der Umzug in einen neuen Plenarsaal, der übrigens nach einem Entwurf des hannoverschen Architektenteams Anja Brüning und Wolfgang-Michael Pax erstellt wurde. Das Landeshaus liegt etwas außerhalb der Innenstadt recht repräsentativ direkt an der Kieler Förde.

Die niedersächsischen Parlamentarier kamen gerade rechtzeitig, um mit einer Stipvisite an einer Plenarsitzung des schleswig-holsteinischen Landtags teilzunehmen. Von der Besuchertribüne aus, für die meisten Politiker etwas ungewohnt, konnten sie ihre Kollegen im neuen Glaspalast mit der hellen Möblierung und einem wunderbaren Ausblick auf die Kieler Förde und die Grünanlagen ringsherum beobachten. Das gerade außerordentlich kontrovers behandelte Thema hieß "Abschiebehaft-Vollzugsgesetz". Es war für neutrale Beobachter schon interessant zu erleben, wie sich ehemalige Koalitionspartner, die sich nun im Plenum "feindlich" gegenüber saßen, verbissen in die Haare kriegten. Denn seit der letzten Landtagswahl am 6. Juni 2017 ist das vom SSW, der Vertretung der dänischen Minderheit, unterstützte Bündnis von SPD und Grünen durch eine erstmalige sogenannte "Jamaika-Koalition" von CDU, Grünen und FDP abgelöst worden. Der Streit jetzt im Parlament ging weniger von der mit fünf Abgeordneten erstmals im Landtag sitzenden AfD aus, sondern eher von den ungewohnten, außergewöhnlichen Verhältnissen, dass nämlich von den langjährigen Verbündeten und Befreundeten nun die SPD unter ihrem Fraktionsvorsitzenden Ralf Stegner auf den harten Bänken der Opposition sitzen musste, während die Grünen weiterhin die Regierung vertreten durften, aber auf einmal zusammen mit den langjährigen politischen Gegnern von der CDU und FDP. So ist eben das Leben in einer Demokratie.

Anschließend hatten mehrere niedersächsische Besucher das Glück und das Vergnügen, in der Lobby den jungen, aufgeschlossenen Ministerpräsidenten Daniel Günther zu treffen und mit ihm zu plaudern, andere dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Ralf Stegner zu begegnen, der beim Anblick der Niedersachsen sogar ein freundliches Lächeln aufsetzte.

Georgia Langhans, Udo Mientus, Christina Philipps, Ministerpräsidenten Daniel Günther, Ulrich Biel u. Klaus Rickert

Beim Mittagessen, zu dem der schleswig-holsteinische Landtag die niedersächsischen Gäste eingeladen hatte, trug Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) zur Aufklärung der gewöhnungsbedürftigen Situation im derzeitigen Kieler Landtag bei. Er lobte darüber hinaus die gute Atmosphäre im neuen Glasanbau des Plenarsaales im wiederaufgebauten und mehrfach umgebauten, im letzten Krieg sehr stark zerstörten jetzigen Landeshaus, der ehemaligen Marineakademie. Hier sind auch die Büros der Abgeordneten, teilweise müssen sich zwei einen Raum teilen, ebenso untergebracht wie die Landtagsverwaltung und der Wissenschaftliche Dienst. "Hier  haben wir ordentliche, tadellose Bedingungen mit unmittelbarem Blick auf die Kieler Förde. Das schafft eine besondere, angenehme Atmosphäre", sagte der Landtagspräsident.

Delegation der Vereinigung mit Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages Klaus Schlie (Mitte)

Dann erfuhren die niedersächsischen Besucher auch, dass das Wahlrecht vom schleswig-holsteinischen Landtag geändert wurde, weil es nach Ansicht des Landesverfassungsgerichts nicht mit der Landesverfassung übereinstimmte. Wegen der starken Vergrößerung des Landtags durch vergebene Überhang- und Ausgleichsmandate verstieß es gegen die in der Landesverfassung festgelegte Landtagsgröße von 69 Abgeordneten. CDU, SPD und FDP beschlossen daraufhin die Verringerung der Anzahl der Direktmandate von 40 auf 35 und strichen einfach, gegen den Widerstand der anderen Parteien, die festgelegte Landtagsgröße aus der Verfassung. 2012 wurde dann der schleswig-holsteinische Landtag nach dem neuen Wahlrecht neu gewählt. Streit und große kontroverse Diskussionen im Landesparlament gibt es ferner wegen der Energiewende um die Windkraft, weil Trassen und Leitungen fehlen. "Je weiter man ins Binnenland kommt, desto größer wird der Widerstand", heißt es. Und mit der Entwicklung vom Agrar- zu einem vom Mittelstand geprägten Wirtschaftsland sowie mit dem Rückgang der Industrie, besonders der Werften und des Schiffbaus, trat der Tourismus noch stärker in den Vordergrund. Dabei ist Schleswig-Holstein mit Ferien- und Ausflugsgebieten sowohl an der Nordsee als auch an der Ostsee gleichermaßen "gesegnet". Allerdings gibt es auch große Probleme und Sorgen wie beispielsweise auf und mit der Insel Sylt, auf der kaum noch Einheimische wohnen (können). "60 bis 70 Prozent der Häuser werden von Fremden als Zweitwohnung aufgekauft und stehen leer." Vor allem jedoch im Binnenland hat der Tourismus die Zeit verschlafen. Viele Hotels mit dem Charme der 70-er Jahre und Betonklötze entsprechen nicht mehr dem heutigen Standard. Ein Beispiel ist Malente. "Es muss sehr viel investiert werden, um den Anschluss, beispielsweise an Mecklenburg-Vorpommern, zu halten, auch vor dem Hintergrund, dass in Zukunft immer mehr Menschen in Deutschland selbst, vor allem auch im Norden, Urlaub machen werden", war zu hören.

Einen glücklichen Zufall…kann man es nennen. Am Nachmittag traf ebenfalls eine Delegation der Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments e. V. im Kieler Landeshaus ein. Die Freude, auf allen Gesichtern zu sehen, war groß und beide Vorsitzenden, Frau Dr. Edith Niehuis und Herr Ulrich Biel, sowie alle anderen Mitglieder hatten Zeit für einen kurzen Austausch über alte Zeiten.

Eine wiederaufgebaute Stadt ohne Charme und Seele

Mit der üblichen Stadtführung durch Kiel endete dieser Tag. Vielleicht hatten das inzwischen kühle Wetter und der aufgekommene Sturm mit (gefühlter) Windstärke 7 bis 9 zur Beeinträchtigung der Wahrnehmung der niedersächsischen Besucher dazu beigetragen, dass ausgerechnet die Landeshauptstadt Kiel, zumindest die Innenstadt, als eine Stadt ohne Struktur und ohne Seele gesehen wurde. Denn Kiel hat keine Altstadt mehr. Deutschlands viele Jahre größte Marinestadt ist im Zweiten Weltkrieg von alliierten Bombern besonders oft angegriffen und außerordentlich stark zerstört worden. Alt- und Vorstadt lagen vollständig in Trümmern. Nach dem Krieg wurde in Kiel, im Gegensatz etwa zu Lübeck und vielen anderen zerbombten deutschen Großstädten, auf einen Wiederaufbau mit Rekonstruktion der zerstörten historischen Bauten vollständig verzichtet. Stattdessen wurden sogar Bauten wie z.B. das durch Feuer beschädigte Hauptgebäude der Universität abgerissen oder die Ruine des Schlosses, Geburtsort des russischen Zaren Peter III., 1959 gesprengt. Die Stadt sollte im Stil der Zeit moderner, offener, großzügiger, verkehrsgerechter gestaltet werden. Doch besonders massive Eingriffe in das historische Straßennetz der Altstadt mit der Aufhebung der meisten kleineren Nebenstraßen, die Überbauung des alten Marktplatzes mit Geschäftsbauten, die Errichtung zahlreicher überdimensionaler Kauf-, Park- und Bürohäuser ließen nur wenig urbanes Flair aufkommen, meinte der Stadtführer. Und die niedersächsischen Besucher sahen es, als sie mitten in der Stadt auf dem großen Platz vor der Ostsee-Halle, heute Sparkassen-Arena, standen und hinter den Bäumen versteckt das Rathaus mit dem Campanile in Venedig nachempfundenen Turm, dem Wahrzeichen der Stadt, erblickten. Die Beobachtungen, dass das Kieler Stadtbild als geradezu typisch für eine im Zweiten Weltkrieg zerstörte Großstadt gesehen wird, treffen wohl zu.

Ade, Malente

Ein  gemeinsamer Abschlussabend mit Gästen aus der Vereinigung ehemaliger Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft, Herr Vorsitzender Wolfgang Kiéck mit seiner Frau, Vorstandsmitglieder Frau Antje Blumenthal und Herr Reinhard Soltau, beschloss die Zeit im Hotel Wyndham Garden Bad Malente Dieksee.

Weil der Berichterstatter wegen anderweitiger Verpflichtungen nicht mit der PVN-Reise-gesellschaft im Bus zurückfahren konnte, sei hier nur erwähnt, dass die Teilnehmer nach einer Stadtbesichtigung in Lüneburg und einem gemeinsamen Mittagessen im Kloster Lüne wohlbehalten, dankbar und mit sehr vielen neuen Eindrücken und Erlebnissen wieder in Hannover angekommen sind und sich jetzt schon auf die nächste große Reise 2019 freuen. Sie soll zur Europäischen Union nach Brüssel führen.                                           Rolf Zick

 

 

Zum guten Schluss Lüneburg:

Auf der Rückreise, bei strahlend schönem Wetter, machte die mittlerweise leicht reduzierte Reisegruppe  noch einen Stopp in Lüneburg.

Aufgeteilt in zwei Gruppen, unternahm man eine kleine Besichtigung der Stadt rund um das Rathaus. Neben den obligatorischen Ausführungen zur Stadtgeschichte wurden wir über die immer noch stattfindenden Senkungen und deren Folgen an den alten Häusern unterrichtet. Die Senkungen sind auf den früheren Salzabbau zurückzuführen. Einst führte der Salzabbau zum Reichtum  der Stadt. Nun hat man die Nachteile.

Welch übertriebener Eifer der Stadtplaner manchmal an den Tag gelegt wird, wurde klar, als man plante, einen mittelalterlichen Straßenzug mit Fachwerkhäusern abzureißen. Die Anwohner wehrten sich erfolgreich und renovierten ihre Häuser. Ein Hauseigentümer hat seine Einstellung zu den Planern in Form einer Inschrift an einem Fachwerkbalken an seinem Haus deutlich zum Ausdruck gebracht. Der Spruch lautet: „Gott schütze dieses Haus und die in ihm hausen, vor Planern und Kulturbanausen“! Sollte man sich merken.

Nach einem kurzen Aufenthalt in der Stadt ging es zum letzten Programmpunkt ins Kloster Lüne. Beim Kloster Lüne handelt es sich um eines der Lüneburger Klöster.

Für den nachfolgenden Bericht über das Kloster Lüne von Frau Priorin Charlotte Pattenden bedankt sich die Parlamentarische Vereinigung:

Beim gemeinsamen Mittagessen im historischen Sommerremter begrüßten Äbtissin Reinhild Frfr. v. der Goltz als Hausherrin und Klosterkammerpräsident Hans-Christian Biallas als ehemaliger Parlamentarier und Weggefährte die Gäste. Nach der guten Bewirtung durch Frau Koch und ihr Team vom Restaurant „Café im Kloster“  gab Priorin Charlotte Pattenden eine Einführung in die lange Geschichte des Klosters.

Seit über 800 Jahren ist es ein Ort, an dem Frauen in christlicher Gemeinschaft zusammenleben, erstmals bestätigt 1172 durch den Bischof von Verden. Spätestens seit der Mitte des 13. Jahrhunderts bezeichnen sich die Lüner Nonnen dezidiert als Benediktinerinnen. Der Baubestand des Klosters geht auf den Wiederaufbau nach dem Brand von 1372 zurück, also 200 Jahre nach der ersten Erwähnung. Zum Ende des 15 Jahrhunderts erlebt das Kloster im Rahmen der gesamtkirchlichen Reformbewegung der Devotio Moderna seine ganz große Blütezeit. Unter der in diesem Rahmen neu eingesetzten jungen Äbtissin Sophia von Bodendieke wächst sich der Konventum ein Vielfaches. Aus dieser Zeit stammen nicht nur bauliche Erweiterungen, sondern auch die wunderbaren Stickereien im Klosterstich, die am Ort des Entstehens erhalten sind. Die Einführung der lutherischen Reformation durch den Landesherrn ab 1527 stößt zunächst auf großen Widerstand der überzeugten Benediktinerinnen, aber letztendlich können sie den neuen Entwicklungen wenig entgegensetzen. 1537 verpflichtet der Herzog sich und alle seine Rechtsnachfolgen zum Erhalt des Klosters. Damit beginnt dessen Umwandlung in ein evangelisches Kloster für die unverheirateten Töchter vorwiegend der Lüneburger Ritterschaft, die 1580 in der Wahl der ersten evangelischen Äbtissin ihren Abschluss findet. Die Zahl der Klosterstellen wurde auf 24 beschränkt, die Adelsbindung galt bis nach dem Zweiten Weltkrieg.

Auf dem Rundgang durch das Kloster konnte die Gruppe der ehemaligen Parlamentarier diese historische Entwicklung nachvollziehen. Aus dem mittelalterlichen Winterremter (Refektorium) mit den eindrucksvollen Wandmalereien aus der katholischen Blütezeit des Klosters ging es in den Kapitelsaal, dem Thronsaal des Klosters aus der nachreformatorischen evangelischen Zeit, beeindruckend durch die vollständige Sammlung der Porträts aller evangelischer Äbtissinnen nach 1580. In Kirche und Nonnenchor sahen sie  Spuren der katholischen Wurzeln ebenso wie der lutherischen Reformation.  Es wurde allen deutlich, dass es im Kloster Lüne keinen Bildersturm gegeben hat. Wie bei allen Besuchern, fanden auch hier die weiterhin von Hand geläuteten Glocken auf dem Nonnenchor besondere Beachtung. Die Zellen in der Uhlenflucht erlaubten einen Einblick in die klösterliche Kargheit auf der Nordseite und die reiche Bildausstattung des 18. Jahrhunderts Jahrhunderte auf der Südseite. Die Führung schloss mit einem Besuch des von der Klosterkammer finanzierten Museums für Sakrale Textilkunst, in dem seit 1995 die textilen Schätze des Kloster in einer Dauerausstellung zu sehen sind.

Dir Priorin vermittelte den Besuchern aber auch einen Einblick in das Leben der neun Konventualinnen des Klosters heute. „Es ist eine viel zu unbekannte Lebensform für die dritte Lebenshälfte“, erklärte sie. Bewerberinnen müssten der evangelischen Kirche angehören, rechtlich alleinstehend sein und nicht älter als 65 Jahre, aber zu diesen Grundvoraussetzungen komme eine Bereitschaft, sich in die Gemeinschaft einzubringen und sich für die Vermittlung von Tradition und Geschichte des Klosters einzusetzen.  „Ich bin mir der langen Reihe der Frauen bewusst, die dieses Kloster geprägt haben, und gehe auf ihren Spuren in Demut und Dankbarkeit. Es ist immer noch ein Privileg, an diesem Ort leben und arbeiten zu dürfen und seine Zukunft mitzugestalten.“

Hier können nicht alle Eindrücke wiedergeben werden. Deshalb lohnt sich immer ein Besuch des Klosters Lüne.  Mehr Informationen auf der Webseite des Klosters: www.kloster-luene.de

Dann ging es weiter nach Hannover. Hier traf die Reisegruppe wegen der Stausituation auf der A7 und den damit verbundenen Umleitungen mit mäßiger Verspätung am ZOB an.